Am 13. März 2016 wird der 17. rheinland-pfälzische Landtag gewählt. Landtagskandidatin Sandra Porz (Wahlkreis 16; Rhein-Hunsrück) stellt im Interview mit den Jusos ihre Visionen von unserem Rheinland-Pfalz dar und verrät was ihre größte Schwäche ist.

Sandra-kleinerLiebe Sandra,

Was ist das besondere an Deinem Wahlkreis?                              

Der Wahlkreis 16 ist für mich besonders, weil er landschaftlich durch eine Tal- und Flusslandschaft, den Mittelrhein und auf der Höhe durch eine Mittelgebirgslandschaft geprägt ist. Der Wahlkreis ist damit landschaftlich, aber auch kulturhistorisch besonders. Der Weinbau hat die Kulturlandschaft des Mittelrheintals geprägt. Auf den Höhen finden wir Wald, Wiesen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, die das Landschaftsbild prägen. Dies bringt eine außergewöhnliche Vielfalt, aber auch große Herausforderungen mit sich. Im Mittelrheintal geht es neben dem Erhalt der Lebensqualität für die Menschen, auch um die Weiterentwicklung einer touristisch hoch frequentierten Region mit Unesco Welterbestatus. Im Hunsrück gibt es ebenfalls touristische Schätze zu heben, nehmen wir als Beispiel den boomenden Wandertourismus. Die zentrale Aufgabe sehe ich hier aber darin, die Menschen in den Dörfern und Kleinstädten „zu halten“. Die Region ist attraktiv, weil im Hunsrück in den vergangenen Jahrzehnten ein großer Wandlungsprozess erfolgreich vollzogen wurde. Heute ist die Region wirtschaftlich und infrastrukturell ein Vorzeigebeispiel für gelungene Konversionspolitik. Es gibt also viel Besonderes in meinem Wahlkreis, vor allen Dingen aber die herzlichen und freundlichen Menschen.

Was sind Deine Schwerpunkte in der politischen Arbeit?

Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in unterschiedlichen Bereichen der sozialen Arbeit schlägt mein Herz für die Sozialpolitik. Die Lebenswelt von Menschen zu gestalten und Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Menschen gut leben können, ist eine große Herausforderung in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Wir alle kennen den Einfluss unserer Lebenswelt auf unser Wohlbefinden. Letztendlich wollen alle Menschen individuelles Lebensglück erreichen. Diesem Ziel so nah wie möglich kommen zu wollen, hört sich vielleicht nach einer sozialromantischen These an. Es ist aber im Kern unsere sozial- und gesellschaftspolitische Aufgabe. Nehmen wir anstatt Glück doch das Wort Zufriedenheit – es hört sich in diesem Kontext vielleicht besser an.

Ich bin keine Anhängerin eines funktionellen Menschenbildes, wo Menschen wie Maschinen funktionieren müssen, wo der Mensch nur noch als Produktionsfaktor betrachtet wird; vom Kindergarten bis zur Rente quasi funktionieren muss, wie das Auto und die Spülmaschine.

Ich bin der Meinung, dass wir das fördern sollten, was Sinn stiftet:

Nehmen wir dafür das Beispiel des Sozialunternehmertums. Bereits mit der Gründung der ersten Genossenschaften im 19. Jahrhundert wurde das Wohl einer Gemeinschaft in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns gestellt und nicht die finanziellen Interessen Einzelner. Ein anderes Beispiel ist der so genannte 2. Arbeitsmarkt, der in den 1980er Jahren zur Integration von Langzeitarbeitslosen initiiert wurde. Mit einem Angebot von Werkstätten haben dies im Wesentlichen die Wohlfahrtsverbände umgesetzt. Die Idee des Sozialunternehmens steht in diesem Zusammenhang quasi konträr zum reinen Alimentieren von Menschen.

Wir sollten ruhig etwas kreativer sein und uns auch auf der politischen Ebene häufiger mit grundsätzlichen Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenleben auseinandersetzen. Wie wollen wir wohnen? Wie verändert sich unser Leben durch eine veränderte Arbeitswelt? Was macht uns als Gesellschaft fit für die Zukunft? Wie können wir ein hohes Maß an Teilhabe für alle Menschen erreichen? An diese Fragen grenzen viele andere Politikfelder an, die mich ebenfalls interessieren.

Ich wünsche mir beispielsweise, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik wieder mehr auf regionale Erfordernisse eingehen. Wir haben im Hunsrück oder im Mittelrheintal andere Gegebenheiten als beispielsweise in einer Großstadt, in einem Ballungszentrum: Die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen in einem Flächenkreis oder die zeitlich flexible Betreuung von Kindern. Auf diese Besonderheiten können wir mit innovativen Projekten reagieren.

Was sind Deine Hobbys?

Neben meinem kommunalpolitischen Engagement lese ich viel und wenn es meine beruflichen Termine erlauben, gehe ich ins Fitnessstudio. Und natürlich verbringe ich gerne Zeit mit meinem Mann und mit meinen Freunden, und ich trinke auch gerne gemütlich ein Glas Wein bei einem guten Gespräch.

Warum machst Du Politik und was ist dabei Deine persönliche Motivation?

Demokratie gestaltet sich nicht von alleine. Mitmachen und dabei auch mal frustriert sein, ist besser als zu Hause zu sitzen und „über die da oben“ zu schimpfen. Ich bin bisher „nur“ ehrenamtlich kommunalpolitisch tätig, und auf dieser Ebene werden politische Entscheidungen direkt sichtbar. Ob es dabei um die Erweiterung eines Kindergartens, die Eröffnung eines Jugendraums oder die Investition in eine Sportstätte geht – das sind nur einige Beispiele für Veränderungen, die Politik bewirken kann.

Politik ist in dieser Hinsicht vielleicht besser als ihr Ruf. Die Medien filtern sich natürlich lieber die Hiobsbotschaften heraus, als über gelungene Maßnahmen zu berichten. Was wir allerdings nach meiner Wahrnehmung brauchen, ist eine veränderte Sichtweise. Für mich ist die Differenzierung in Politiker und Bürger absurd. Wenn sich politisch engagierte Menschen hinstellen und von „dem Bürger“ sprechen, frage ich mich häufig, ob sie ihren Bürgerstatus bei der Politikerwerdung abgelegt haben.

Wenn sich Menschen aber zurücklehnen und die Verantwortung für ihr Leben den Politikern übertragen, dann ist hier etwas aus den Fugen geraten.

Während des Studiums habe ich mich in Politologie mit dem Modell des Zoon Politikon beschäftigt. In dieser auf Aristoteles zurückgehenden Sichtweise wird der Mensch als soziales, auf Gemeinschaft angelegtes und Gemeinschaft bildendes Wesen verstanden. Vor diesem Hintergrund kann es in unserer Gesellschaft nicht sehr viele wirklich unpolitische Menschen geben. Ich sehe vielmehr, dass Menschen sich frustriert abwenden, weil sie der Meinung sind, dass es egal ist, wer regiert. Die Unterschiede werden kaum oder gar nicht mehr wahrgenommen.

Ich sehe das nicht so. Nehmen wir als konkretes Beispiel die kostenfreie Kinderbetreuung in Rheinland-Pfalz. Sie ist ein klares Ergebnis sozialdemokratischer Politik. Beitragsfreiheit für den Kindergarten nutzt Kindern und Eltern. Mit der erheblichen finanziellen Entlastung der Eltern werden soziale Hürden beseitigt und es wird ein Beitrag zu mehr Chancengleichheit geleistet.

Für mich sind diese Beispiele wichtig, um meine Motivation aufrechtzuerhalten. Generell habe ich Freude an der Begegnung und dem Austausch mit Menschen.

Welche Rolle spielt Dein Beruf als Bewährungshelferin am Landgericht Koblenz bei Deinen politischen Entscheidungen?

Mein Beruf prägt jeden Tag meine Grundhaltung Menschen gegenüber und schärft auch meinen Blick auf die Gesellschaft.

Meine Erkenntnis ist diese: Wir alle haben von Geburt an Erfahrungen gesammelt, die unser Handeln und unsere Beziehungen prägen. Oft bringen unsichere Lebensbedingungen und unsichere soziale Beziehungen auch verunsicherte Menschen hervor. Die Arbeit mit Straftäterinnen und Straftätern zeigt mir, dass Menschsein nicht eindimensional ist. Für gewisse Taten gibt es keine Entschuldigung, aber häufig eine Erklärung, die man nicht unbedingt auf den ersten Blick sieht.

Das klassische Schwarz-Weiß-Muster (Gut und Böse) ist als Erklärungsmodell häufig völlig ungeeignet. Um menschlich fragwürdiges Handeln zu begreifen, ist es notwendig, sich mit den Menschen zu unterhalten und Erfahrungen zu reflektieren.

Nach 23 Jahren tritt Landtagspräsident Joachim Mertes nicht mehr für den rheinland-pfälzischen Landtag an. Die Nachfolge sollst Du übernehmen. Das sind große Fußstapfen. Wie gehst Du damit um? Sind es vielleicht zu große Fußstapfen?

Joachim Mertes hat sozialdemokratische Politik in Rheinland-Pfalz entscheidend mitgeprägt und mit vielen großen und kleinen Entscheidungen erreicht, dass der Rhein-Hunsrück-Kreis heute so gut aufgestellt ist.

Seine Fußstapfen sind sehr groß,  das stimmt. Ich bilde mir auch nicht ein, dass ich da rein passe. Ich glaube aber, dass es darum auch gar nicht gehen kann. Als 41-jährige Frau trage ich nicht nur andere Schuhe, sondern betrachte Dinge aus einem anderen Blickwinkel und werde sicherlich auch andere Schwerpunkte setzen.

Was ist Deine größte Schwäche?

Einfach mal die Klappe halten fällt mir schwer.

Auf welche Art und Weise kannst Du die SPD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag bereichern?

Es wäre schön, wenn ich meine Erfahrungen aus 16 Jahren sozialarbeiterischem Engagement einbringen könnte. Durch die verschiedenen Stationen meines beruflichen Werdegangs habe ich in der Berufsorientierung von jungen Menschen ebenso Erfahrung wie in der Beratung und Betreuung von Erwachsenen. Außerdem habe ich als Schulsozialarbeiterin gearbeitet und weiß, mit welchen Herausforderungen die Systeme Elternhaus und Schule konfrontiert sind.

Die Entscheidung der Landtagskandidatur musstest Du quasi über Nacht fällen. Wie schwer ist dir dieser Entschluss gefallen?

Sehr schwer. Das lag daran, dass ich mit meiner Lebenssituation sehr zufrieden bin. Meine Arbeit macht mir große Freude, ich habe ein gutes Leben, für das ich sehr dankbar bin. Einen aktuellen Veränderungswunsch hatte ich nicht. Einige Menschen haben mir nach meiner Entscheidung gesagt: „Jetzt machst du Karriere.“ Auch diese Betrachtung entspricht mir nicht. Erfolgreich sein hat für mich wenig mit Macht und Geld zu tun. Auch in dieser Diskussion gerät man schnell in den Verdacht, sozialromantisch unterwegs zu sein. Für mich sind aber nun mal ein gutes und hilfreiches Gespräch, eine bereichernde Begegnung und vor allen Dingen Dankbarkeit und Zufriedenheit wichtige (Lebens)Erfolgskriterien. Geld ist für mich eher ein Teilhabefaktor. Manche Dinge kann ich halt nur erleben, wenn ich dafür bezahle. Andere Dinge wiederum kann ich mir nicht mit Geld kaufen.

Doch künftig auf landespolitischer Ebene Einfluss nehmen zu können, war für mich schon sehr reizvoll. Deshalb habe ich mich entschieden, zu kandidieren.

Die rheinland-pfälzische SPD hat für den Wahlkampf  „Unser Land von Morgen“ als Motto gewählt. Wie soll für Dich unser Land von Morgen aussehen?

In unserem Land von Morgen wünsche ich mir vor allem noch mehr Solidarität und Chancengleichheit.

Weil die Wahlbeteiligung seit Jahren immer weiter sinkt, trafen sich im Juni die Generalsekretäre der großen demokratischen Parteien, um gemeinsam den Ursachen nachzugehen und Lösungen auszuarbeiten. Dabei spielte auch das Wahlrecht für Ausländer eine nicht unwesentliche Rolle. Hast Du Verständnis für NichtwählerInnen? Und wie stehst Du zum Ausländerwahlrecht?

Zum Verständnis für NichtwählerInnen: Ja und Nein.

Ja, weil das Parteiensystem – berechtigterweise – von vielen kritisch gesehen wird.  Von außen betrachtet ist es sicher verwunderlich, dass Entscheidungen von heute oft wenig mit Versprechungen von gestern zu tun haben. Leider entwickelt jedes System auch eine gewisse Dynamik, sich selbst erhalten zu wollen. Und ehe man sich versieht, geht es in der politischen Diskussion nicht mehr um die Frage, ob etwas sinnvoll ist oder nicht, sondern um Wählerstimmen und damit um den Selbsterhalt. Ich glaube, dass viele Wähler dafür nicht die Erfüllungsgehilfen werden wollen und deshalb ihre Stimme verweigern.

Nein, weil die parlamentarische Demokratie manchmal schwer auszuhalten ist. Aber mir ist bisher auch noch keine bessere Staatsform untergekommen. Schön fände ich aber, wenn wir mehr direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen wagten. Ich wäre gespannt, wie die Lobbyisten dann ihren Job ausüben wollen.

Zum Ausländerwahlrecht: Ich würde mich zu diesem Thema gerne mal mit einem Staatsrechtler unterhalten. Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Mitbestimmung von Menschen, die in Deutschland leben, eine wichtige Sache ist. Allerdings sieht unser Grundgesetz das Wahlrecht nur für deutsche Staatsbürger vor. EU-Bürger können an Kommunalwahlen teilnehmen, aber nicht die sonstigen bei uns lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.

Für Bundeskanzler Willy Brandt war die Herabsetzung des Wahlalters ein Teil seiner Kampagne „Mehr Demokratie wagen“.  Dabei fordern immer mehr Stimmen das Wahlrecht ab 16. Wie ist Deine Position?

Das Alter der Erstwähler und Erstwählerinnen ist für mich nicht unbedingt entscheidend. Ich sehe in meinem Wohnort, wie sich junge Menschen mit ihren Interessen hier in die Gemeindepolitik einmischen und damit auch auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen. Ich würde mich freuen, wenn mehr junge Menschen Spaß an politischer Einflussnahme bekommen. Die Initiative, das Wahlrecht ab 16 einzuführen, sollte aus meiner Sicht aber eher aus Jugendorganisationen kommen. Solche Initiativen können mit Jugendräten und Angeboten der offenen Jugendarbeit in der Kommune gefördert werden.

Schwarz-Rot ist keine Option, weil…?

… wir aktuell die Schattenseite dieser Verbindung sehen können, beispielsweise bei der Diskussion und der letztendlichen Entscheidung um die Vorratsdatenspeicherung.

2013 haben wir nach der Bundestagswahl eine Mitgliederabstimmung zur großen Koalition organisiert. Durch die Koalition mit der CDU konnten wir wichtige Sozialreformen in unserem Land auf den Weg bringen. Doch die SPD hat es nicht verdient, zum linken Flügel der CDU zu werden.

Wir haben unser eigenes Profil und die besseren Ideen.

Ich bin im Übrigen fest davon überzeugt, dass wir mit Malu Dreyer die Wahl in Rheinland-Pfalz am 13.03.2016 gewinnen werden.

 

Wir danken Dir für das Interview!

Das Interview führten Umut Kurt und Vanessa Kern durch.

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